Entwicklung des Erdgaspreises im Juli 2017 und Ausblick

Der Erdgaspreis (Cal-18-Kontrakt Erdgas NCG) stieg in Folge der vermehrten Erdgasnutzung zur Stromerzeugung bis zum 30. Dezember 2016 auf 18,80 EUR/MWh, sank aber zum 31. März 2017 wieder auf 16,76 EUR/MWh. Seitdem verharrte der Erdgaspreis weitgehend auf diesem Niveau und schloss am 31. Juli 2017 bei 16,23 EUR/MWh.

Am 21. Juli 2017 scheitere Polen vor dem Europäischen Gerichtshof, die Beschränkung der Nutzung der Opal-Pipeline durch Gazprom auf 50 Prozent aufrechtzuerhalten. Die Opal-Pipeline kann bis zu 36 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr von Lubmin an die deutsch-tschechische Grenze transportieren und ist somit entscheidendes Kriterium für die Wirtschaftlichkeit der Nord-Stream-Pipeline. Somit steht Gazprom diese Pipeline mit gewissen Auflagen vollständig zur Verfügung.

In Europa sind in letzter Zeit immer mehr LNG-Lieferungen zu verzeichnen. Auch werden in Europa immer mehr LNG-Terminals geplant, die preissenkend wirken, da der weltweite LNG-Preis weitgehend unter dem leitungsgebundenen Erdgaspreis liegt. Aktuell wird ein schwimmendes LNG-Terminal in Polen in der Danziger Bucht geplant. Das LNG-Terminal in Swinemünde soll weiter ausgebaut werden. Am 07. Juni 2017 erreichte die erste us-amerikanische LNG-Schiffslieferung das LNG-Terminal in Swinemünde. Mit derartigen Lieferungen kann sich Polen unabhängiger von russischen pipelinegebundenen Erdgaslieferungen machen. Auch aus Katar kamen schon Lieferungen nach Swinemünde. In Zukunft sollen die Liefermöglichkeiten erheblich ausgebaut werden.

In Deutschland soll an der Elbmündung bei Brunsbüttel ein LNG-Terminal entstehen. Das Projekt ist erst in der Planungsphase. Als Lieferländer werden offensichtlich vorrangig Katar, Nigeria und Mosambik untersucht.Auch für Russland wird LNG immer wichtiger. So baut der russische Konzern Novatek mit der französischen Total und dem chinesischen staatlichen Ölunternehmen China National Petroleum Corp. in der eisigen Tundra auf der russischen Halbinsel Jamal die derzeit weltweit größte Erdgas-Verflüssigungsanlage mit einem Investitionsvolumen von 25 Milliarden Euro. Die Produktion soll noch in diesem Jahr aufgenommen werden. Die Erdgas-Verflüssigungsanlage wird ausschließlich mit eisbrechenden Tankern zu erreichen sein, da die Tundra selbst im Sommer selten eisfrei ist. Im Endausbau sollen 16,5 Millionen Tonnen Erdgas verflüssigt werden können. Damit folgt Russland erst spät aber mit Nachdruck einem weltweiten Trend des Ausbaus von LNG-Kapazitäten. Parallel dazu baut Gazprom seine Förderkapazitäten für leitungsgebundenes Erdgas weiter aus und möchte in 2017 450 Milliarden Kubikmeter Erdgas fördern und entsprechend an Abnehmer verteilen. So werden verschiedenste Pipeline-Projekte vorangetrieben. Die größten Projekte sind Nord Stream 2 in der Ostsee, Turkish Stream 1 und 2 im Schwarzen Meer und Kraft Sibiriens nach China.

Auch Katar wird seine LNG-Kapazitäten weiter ausbauen, da das Land um seine Vormachtstellung bei LNG-Lieferungen fürchten muss. Laut Aussagen von Anfang Juli 2017 möchte Katar seine Exporte in den nächsten Jahren um 30 Prozent erhöhen. Katar ist aktuell der weltweit größte LNG-Lieferant. Aktuelle Planungen Russlands aber auch Australiens zur Erschließung von bisher nicht zugänglichen Erdgasfeldern, die aber für LNG-Lieferungen geeignet sind, drängen Katar zur Eile, um keine Marktanteile zu verlieren. Die seit dem 05. Juni 2017 verhängte Wirtschaftsblockade der vier arabischen Nachbarländer Saudi-Arabien, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate und Ägypten isoliert Katar seit zwei Monaten von den ehemals Verbündeten. In Folge sucht sich Katar derzeit neue Marktzugänge und auch neue Vertriebskanäle. Entsprechende Äußerungen zum weiteren Ausbau der LNG-Aktivitäten verwundern in diesem Zusammenhang eher wenig.

Die französische Total hat im Juli 2017 gemeinsam mit dem chinesischen staatlichen Ölunternehmen China National Petroleum Corp. einen Vertrag über die Erdgasförderung im Gasfeld South-Pars mit dem Iran unterschrieben, der sich wiederum das Gasfeld mit Katar teilt. Der Vertrag umfasst ein Investitionsvolumen von fünf Milliarden Dollar. Das ist der erste derartige Vertrag seit dem Atomabkommen von 2015. Der Iran besitzt nach Katar die zweitgrößten Erdgas-Reserven der Welt und möchte diese in den kommenden Jahren vermehrt ausbeuten und vorrangig nach Asien und Europa liefern.

Auch Australien nimmt eine immer bedeutendere Rolle im weltweiten LNG-Markt ein. Chevron und Shell haben in Australien mehrere hundert Milliarden Dollar in acht neue LNG-Projekte investiert, die mittlerweile fast fertiggestellt sind. Ab 2018 könnte Australien Katar bei den LNG-Lieferungen auf Platz zwei verweisen und damit als weltweit größten LNG-Lieferanten ablösen.In diesem Markt suchen auch die USA seit 2016 mit Nachdruck ihren Platz. Die ersten Lieferungen im Juni 2017 nach Swinemünde unterstreichen diese Bestrebungen. Die USA möchten mit Polen einen langfristigen Liefervertrag abschließen. Das us-amerikanische Fracking-Gas, was immer stärker ausgebeutet wird, soll weltweit als LNG exportiert werden. So machen auch die riesigen LNG-Terminals, die gerade im Golf von Mexiko entstehen immer mehr Sinn.

In diesem Zusammenhang verwundert auch nicht die Ausweitung der us-amerikanischen Sanktionen gegen Russland. Die neuerlichen Sanktionen treffen hauptsächlich den russischen Energiesektor und somit auch direkt die geplante Gas-Pipeline Nord Stream 2. Die Sanktionen unterstützen die USA in ihren Bestrebungen, die führende Rolle im Energiemarkt und den damit verbundenen Energie- bzw. Rohstofflieferungen zu übernehmen. Damit werden us-amerikanische Energie- und Rohstofflieferungen einerseits vermehrt als Einnahmequelle vorangetrieben, andererseits aber auch die energiepolitischen Druckmittel erhöht.

Die Europäische Union und Japan haben am 11. Juli 2017 in Brüssel eine Vereinbarung über eine stärkere Zusammenarbeit unterzeichnet. Ziel soll es sein, mehr Wettbewerb und Flexibilität auf den LNG-Märkten zu ermöglichen. Dazu sollen bestehende Handelsbeschränkungen aufgelöst und alternative Lieferwege erschlossen werden.

Seit Mitte Mai 2017 soll es China und Japan gelungen sein, Methanhydrat am Tiefseemeeresgrund abzubauen. Methanhydrat ist eine unter hohem Druck stabil entstehende Eismischung aus Methan und Wasser und kommt deshalb vorrangig in großen Tiefen vor. Es wird geschätzt, dass weltweit ca. 28 Billiarden Kubikmeter Methan im Eis gebunden sind. Die Erschließung und Förderung gestaltet sich aufgrund der großen Tiefen und der am Meeresboden aufzubrechenden Strukturen sehr schwierig. Auch sind die Auswirkungen auf den Meeresboden durch die damit einhergehenden Veränderungen gänzlich unbekannt. Plötzlich auftretende Gasblasen durch das Aufbrechen der Gesteinsschichten können verheerende Auswirkungen mit sich ziehen. Im Bermuda-Dreieck sind immer wieder zu verzeichnende Schiffsunglücke auf derartige plötzlich entstehende Methangasblasen zurückzuführen, da die Oberflächenspannung des Wassers abrupt abnimmt. Wer das Buch „Der Schwarm“ von Frank Schätzing kennt, kann sich eine ungefähre Vorstellung von den damit ausgehenden Folgen und möglichen Gefahren machen. Mitte Juli 2017 entdeckten Wissenschaftler vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (Marum) vor Helgoland eine riesige Kraterlandschaft auf dem Meeresboden, die durch das Entweichen von Methangas verursacht wurde. In der auf „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie beschrieben die Wissenschaftler, dass durch das Entweichen des Methans 6,9 Millionen Kubikmeter Sediment (entspricht wohl ungefähr 12 Millionen Tonnen Sand) umgelagert wurden. Weiter schrieben die Wissenschaftler, dass schätzungsweise 5.000 Tonnen Methan ausgetreten sein müssen, was wiederum in etwa 0,5 Prozent des jährlichen vom Menschen verursachten Methanausstoßes in Deutschland entspräche.

Zusammenfassend könnte sich beim Erdgas eine ähnliche Situation wie beim Rohöl einstellen. Aufgrund des resultierenden weltweiten Überangebotes wäre auch beim Erdgas ein starker Preisverfall zu erwarten.

 

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Stefan Zumpe

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